Pressemitteilung ISV Duisburg und ISB Essen:
Vom inklusiven zum exklusiven Raum der Stille an der Universität Duisburg-Essen
Seit der überraschenden Schließung, der bis zu 30 Jahren problemlos bestehenden beiden Gebetsräume der Universität Duisburg und Essen im Frühjahr 2016, standen wir unmittelbar mit dem Rektorat im konstruktiven und kontinuierlichen Austausch. Die Schließung wurde damals damit begründet keine Gruppe bevorzugen zu wollen und deswegen einen neuen Raum für Alle zu eröffnen. Wir begrüßten die Ankündigung der vom Rektorat beabsichtigten Einrichtung eines Raumes der Stille, auch wenn bis dahin keine genaue zeitliche Planung genannt werden konnte und eine Möglichkeit zur Übergangslösung zunächst vom Rektorat auch nicht vorgesehen wurde.
Unsere Universität ist international, genießt einen guten Ruf für ihre Weltoffenheit, weltweite Kooperationen und von Humanismus geprägten Umgang mit Diversität. Unter diesem Eindruck und der durch verschiedene Seiten der Studierendenschaft geäußerten Bedarfslage einen Rückzugsort zu finden, um den zunehmend herausfordernden universitären Alltag für wenige Minuten am Tag zu entschleunigen und zur Ruhe zu kommen. Umso mehr zeigte sich, dass der Bedarf für ein Provisorium über unterschiedliche Statusgruppen der Universität bestand hatte. In Anbetracht dieser Tatsachen haben wir unsere Aufgabe als Interessenvertretung einer dieser Statusgruppen angenommen der Universitätsleitung im Hinblick auf die konzeptionelle Ausarbeitung einer möglichen Lösung für einen Raum der Stille anzubieten. Wir haben in Gesprächen mit dem Rektorat auch darauf hingewiesen, dass unsere Statusgruppe gleichzeitig ein Pflichtbedürfnis hat und es bei der öffentlichen Praxis zunehmend zu Diskriminierungserfahrungen gekommen ist. Die Schwerpunkte unserer Aufgaben als Hochschulgruppen sehen wir in Präventionsarbeit gegen jegliche Extremismen und Rassismen sowie die Dialogarbeit, insbesondere mit christlichen und jüdischen sowie mit nicht-konfessionellen Partnern. Der soziale Zusammenhalt ist das Kernmotiv unseres Engagements und erhält besonders im Angesicht der Flüchtlingsthematik sowie aktueller rechtsreaktionärer Tendenzen in der Gesellschaft eine neue Bedeutung.
Wir beteiligten uns auch daher gerne an der neugegründeten "Initiative für interreligiösen und interkulturellen Dialog" (IfiiD), letztlich auch weil wir gesehen haben wie groß das Interesse an interdisziplinären Plattformen für Austausch und Respekt an den Universitäten ist und immer nötiger wird, da immer mehr Antidemokraten und Populisten versuchen diese Bereiche für sich einzunehmen. In Kooperation mit verschiedenen religiösen und kulturellen Gruppen wurde an mehreren Sitzungen ein gemeinsames Selbstverständnis erarbeitet und dem damaligen AStA vorgestellt. Gemeinsam wurde in diesem Zusammenhang auch ein Konzept für einen Raum der Stille an unserer Universität erstellt. Diese im Konsens hervorgebrachte Konzept fand auch im AStA Anklang und dieser hatte daraufhin angeboten einen Raum mit der Raumordnung, wie sie im konstruktiven Konzeptpapier beschrieben wurde, zur Verfügung zu stellen. Zeitgleich hat das Rektorat verkündet, dass aufgrund der verzögernden Bauvorhaben es ebenfalls eine Zwischenlösung vorsieht und für die Entwicklung eines Nutzungskonzeptes hat es eine Einladung an religiösen Gruppen und verschiedenste Statusgruppen ausgesprochen. Wir haben das Vorhaben sehr begrüßt und das Konzept der IfiiD dem Rektorat auch zur Verfügung gestellt. Nach den deutlich dramatisierten und reißerischen Berichten zur Schließung der Gebetsräume haben wir uns danach gesehnt, dass zunächst durch die Initiative für interreligiösen und interkulturellen Dialog und nun auch durch den Runden Tisch des Rektors in einem vertrauten und weniger emotionsgeladenen Rahmen die Möglichkeit geschaffen wurde die Bedarfslage in einem neutralen Klima für alle zu beraten.
Teilhabe/ Mitsprache/ Umgang mit Studierenden. Bei dem Runden Tisch, geleitet durch Prorektorin Prof. Dr. Ziegler, mussten wir zunehmend feststellen, dass das bereits erstellte Konzept gar keine Berücksichtigung fand. Ferner basierte die Organisation der Kommunikation am runden Tisch nicht auf Konsens, Teilhabe und Mitsprache der Studierenden, sondern es wurde dabei lediglich die Meinungen der Beteiligten eingeholt ohne die Möglichkeit diese miteinander abzustimmen. Ferner gab es auch keine Abstimmung der einzelnen Punkte. Insbesondere wurde beim dritten und letzten Runden Tisch am 07.02.2018 von der Prorektorin Prof. Dr. Ziegler ein stark veränderter Entwurf einer Nutzungsordnung vorgelegt, zu dem am Runden Tisch deutliche Kritik geäußert wurde. Dennoch wurde die Nutzungsordnung vom Rektorat einseitig als "guter Konsens beschlossen". Mehrmalige Bemühungen verschiedener Studierendenvertreter den Diskussionsbedarf anzumelden mit der Bitte um einen weiteren Runden Tisch mit der betrauten Prorektorin und Diversity Managerin der Universität Prof. Dr. Ziegler sind ungehört geblieben. Aus dem Grund sahen wir uns gezwungen bei der Vorstellung des Entwurfes der Nutzungsordnung an den Senat auf die Mängel des Entwurfes in der Senatssitzung öffentlich hinzuweisen.
Trotz einer vorigen schriftlichen Bestätigung auf Rederecht, durften die Angehörigen der "Initiative für interreligiösen und interkulturellen Dialog" (IfiiD), sowie das autonome Referat für Internationales Ihre Sicht als Bedarfsgemeinschaft nicht darlegen. Ein erneuter Antrag auf Rederecht in der Sitzung durch die studierenden Vertreter im Senat wurde auch abgelehnt. Es wurde an die Prorektorin verwiesen, die auf den scheinbaren Konsens verwies. Eine Protokollierung der nicht Zulassung wurde ebenso ausgeschlossen.
Nutzungsordnung und Logik.Zuletzt mussten wir aus dem Artikel "Aus dem Senat - Sitzung vom 2. März 2018" der Universität Duisburg-Essen feststellen, dass nun auch "rituelle Handlungen" allgemein in dem geplanten Raum der Stille nicht gestatten sind. Weder an dem runden Tisch wurde ein solches Verbot angesprochen, noch im Entwurf der Nutzungsordnung ist eine solche Untersagung zu finden. Den Leitgedanken, den wir von Anfang am runden Tisch verfolgt haben, um durch Minimalismus Vielfalt zu ermöglichen, sehen wir durch Untersagung von rituellen Handlungen nicht mehr erfüllt. Des Weiteren nimmt ein solcher Hinweis der neutralen Nutzungsordnung die Diversitätsmaxime und hebt hier Handlungen einer spezifischen Nutzergruppe hervor.
Wenn einerseits allen die Nutzung ermöglicht werden soll, andererseits religiöse Handlungen spezifisch verboten werden. Im Endeffekt kann man still drinnen sitzen um religiösen Handlungen anderer nicht ausgesetzt zu sein. Soll der Raum ein religionsbefreiter oder sogar ein antireligiöser Raum werden? Ist der Rest des Campus denn ein religionsdurchtränkter Raum, weswegen der Raum der Stille explizit religionsbefreit sein soll? Wir können beim besten Willen nicht nachvollziehen, wie ein Raum, der jegliche religiöse Handlungen somit die Religion ausschließt, für Toleranz und Miteinander stehen soll und inwieweit so unsere pluralistische Gesellschaft widergespiegelt wird. Ebenso hinterfragen wir die Absicht und Aufrichtigkeit der Zusammenarbeit und der Diskussionen seit nun mehr als einem Jahr, wenn vorher bereits festgestanden haben soll das individuelle, rituelle Gebete und rituelle Handlungen im Allgemeinen nicht zugelassen sein sollten. Der ISV Duisburg und der ISB Essen widersprechen in aller Klarheit einer suggerierten Vielfalt unter Ausschluss von religiösen Menschen, areligiösen Menschen oder Menschen mit anderen friedlichen Bekenntnissen.
Unser Standpunkt ist es weiter weg zu kommen von Forderungen nach exklusiven Individualinteressen hin zu einem Miteinander und Förderung der Verständigung in einem inklusiv gedachten Raum. Angelehnt an die führenden internationalen Universitäten, wie dem Massachusetts Institute of Technology und der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt mit ihren gut funktionierenden Lösungen, plädieren wir für einen offenen Raum der Stille, der von allen Studierenden und Angehörigen der Universität frei genutzt werden kann.
Die bisherige Vorgehensweise und das Ergebnis können wir leider nur als unzureichend bewerten und fordern eine Wiederaufnahme der Gespräche sowie des runden Tisches und freuen uns Frau Prof. Dr. Barbara Buchenau als neue Prorektorin an unserer Universität begrüßen zu dürfen.
Unser Fokus liegt nach wie vor darauf unter Bezugnahme zur Ruheraumthematik einen einvernehmlichen Dialog auf Augenhöhe zu pflegen, die Wahrung der Grundsätze des Zusammenlebens hoch zu halten, den Gesprächsfaden immer wieder aufzugreifen sowie konstruktiv an Herausforderungen zusammenzuwachsen.
Duisburg/Essen 11.04.2018